INHALTSVERZEICHNIS I. Teil: Wissenschaft der Freiheit | |
Das bewusste menschliche Handeln [ = vollständig] | |
Der Grundtrieb zur Wissenschaft [ = in Vorbereitung] | |
03. Das Denken im Dienste der Weltauffassung 04. Die Welt als Wahrnehmung 05. Das Erkennen der Welt 06. Die menschliche Individualität 07. Gibt es Grenzen des Erkennens II. Teil: Die Wirklichkeit der Freiheit 08. Die Faktoren des Lebens 09. Die Idee der Freiheit 10. Freiheitsphilosophie und Monismus 11. Weltzweck und Lebenszweck (Bestimmung des Menschen) 12. Die moralische Phantasie (Darwinismus und Sittlichkeit) 13. Der Wert des Lebens (Pessimismus und Optimismus) 14. Individualität und Gattung III. Teil: Die letzten Fragen 1. Die Konsequenzen des Monismus Vorrede zur Neuausgabe 1918 Erster Anhang (Zusatz zur Neuausgabe 1918) Die Ziele allen Wissens (Kapitel I von 1894) Zweiter Anhang (Vorrede zur 1. Auflage von 1884) | |
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KURZFASSUNG DES ABSATZES 1
Die grundsätzliche Frage lautet: »Ist der Mensch ein geistig freies Wesen in seinem Denken und Handeln oder steht er unter dem Zwange einer rein naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit?« Also ist der Mensch frei oder bestimmt? Beliebig eine Handlung auszuwählen, kann nicht als Freiheit zählen, da immer ein Grund gegeben ist, eine bestimmte Handlung zum Ziele zu erheben.
Der ganze Absatz 1 folgt auf der nächsten Seite.
ABSATZ 1 [Keine Änderung zum Ursprungstext von 1894]
Ist der Mensch in seinem Denken und Handeln ein geistig freies Wesen oder steht er unter dem Zwange einer rein naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit? Auf wenige Fragen ist so viel Scharfsinn gewendet worden als auf diese. Die Idee der Freiheit des menschlichen Willens hat warme Anhänger wie hartnäckige Gegner in reicher Zahl gefunden. Es gibt Menschen, die in ihrem sittlichen Pathos jeden für einen beschränkten Geist erklären, der eine so offenkundige Tatsache wie die Freiheit zu leugnen vermag. Ihnen stehen andere gegenüber, die darin den Gipfel der Unwissenschaftlichkeit erblicken, wenn jemand die Gesetzmäßigkeit der Natur auf dem Gebiete des menschlichen Handelns und Denkens unterbrochen glaubt. Ein und dasselbe Ding wird hier gleich oft für das kostbarste Gut der Menschheit wie für die ärgste Illusion erklärt. Unendliche Spitzfindigkeit wurde aufgewendet, um zu erklären, wie sich die menschliche Freiheit mit dem Wirken in der Natur, der doch auch der Mensch angehört, verträgt. Nicht geringer ist die Mühe, mit der von anderer Seite begreiflich zu machen gesucht wurde, wie eine solche Wahnidee hat entstehen können. Dass man es hier mit einer der wichtigsten Fragen des Lebens, der Religion, der Praxis und der Wissenschaft zu tun hat, das fühlt jeder, bei dem nicht das Gegenteil von Gründlichkeit der hervorstechendste Zug seines Charakters ist. Und es gehört zu den traurigen Zeichen der Oberflächlichkeit gegenwärtigen Denkens, dass ein Buch, das aus den Ergebnissen neuerer Naturforschung einen »neuen Glauben« prägen will ( David Friedrich Strauß, Der alte und der neue Glaube [siehe Quellenangabe] ), über diese Frage nichts enthält als die Worte: »Auf die Frage nach der Freiheit des menschlichen Willens haben wir uns hiebei nicht einzulassen. Die vermeintlich indifferente Wahlfreiheit ist von jeder Philosophie, die des Namens wert war, immer als ein leeres Phantom erkannt worden; die sittliche Wertbestimmung der menschlichen Handlungen und Gesinnungen aber bleibt von jener Frage unberührt.«1 Nicht weil ich glaube, dass das Buch, in dem sie steht, eine besondere Bedeutung hat, führe ich diese Stelle hier an, sondern weil sie mir die Meinung auszusprechen scheint, bis zu der sich in der fraglichen Angelegenheit die Mehrzahl unserer denkenden Zeitgenossen aufzuschwingen vermag. Dass die Freiheit darin nicht bestehen könne, von zwei möglichen Handlungen ganz nach Belieben die eine oder die andere zu wählen, scheint heute jeder zu wissen, der darauf Anspruch macht, den wissenschaftlichen Kinderschuhen entwachsen zu sein. Es ist immer, so behauptet man, ein ganz bestimmter Grund vorhanden, warum man von mehreren möglichen Handlungen gerade eine bestimmte zur Ausführung bringt.
1 Auf die Frage nach der Freiheit ...
[aus: »Der alte und der neue Glaube«, Ein Bekenntnis von David Friedrich Strauß, Zwölfte bis vierzehnte Stereoty-Auflage mit einem Vorwort von Eduard Zeller, Bonn, Verlag von Emil Strauß, 1895, Kapitel IV. »Wie ordnen wir unser Leben«, Abschnitt 76. »Der Mensch und die Sinnlichkeit«, Seite 167 oben – David Friedrich Strauß (* 27. Januar 1808 in Ludwigsburg; † 8. Februar 1874 ebenda) war ein deutscher Schriftsteller, Philosoph und evangelischer Theologe.]
ANMERKUNG ZU ABSATZ 1
In Absatz 1 skizziert die Problematik der Fragestellung im Wesentlichen mit dem Blick darauf, dass die Anschauungen seiner Zeit in den meisten aller Fälle davon ausgehen, dass dem Menschen ein freies Handeln letztendlich nicht möglich sei.
KURZFASSUNG DES ABSATZES 2
RS führt mit Herbert Spenzer als auch mit Spinoza zwei Verterter an, die davon ausgehen, dass das Handeln des Menschen alles andere als frei sei. Für Spinoza ist Gott frei, aber nicht der Mensch.
Der ganze Absatz 2 folgt auf der nächsten Seite.
ABSATZ 2 [Keine Änderung zum Ursprungstext von 1894]
Das scheint einleuchtend. Trotzdem richten sich bis zum heutigen Tage die Hauptangriffe der Freiheitsgegner nur gegen die Wahlfreiheit. Sagt doch Herbert Spencer, der in Ansichten lebt, die mit jedem Tage an Verbreitung gewinnen (Die Prinzipien der Psychologie, von Herbert Spencer, deutsche Ausgabe von Dr. B. Vetter, Stuttgart 1882): »Dass aber Jedermann auch nach Belieben begehren oder nicht begehren könne, was der eigentliche im Dogma vom freien Willen liegende Satz ist, das wird freilich ebensosehr durch die Analyse des Bewusstseins, als durch den Inhalt der vorhergehenden Kapitel (der Psychologie) verneint.«1 Von demselben Gesichtspunkte gehen auch andere aus, wenn sie den Begriff des freien Willens bekämpfen. Im Keime finden sich alle diesbezüglichen Ausführungen schon bei Spinoza. Was dieser klar und einfach gegen die Idee der Freiheit vorbrachte, das wurde seitdem unzählige Male wiederholt, nur eingehüllt zumeist in die spitzfindigsten theoretischen Lehren, so dass es schwer wird, den schlichten Gedankengang, auf den es allein ankommt, zu erkennen. Spinoza schreibt in einem Briefe vom Oktober oder November 1674: »Ich nenne nämlich die Sache frei, die aus der bloßen Notwendigkeit ihrer Natur besteht und handelt, und gezwungen nenne ich die, welche von etwas anderem zum Dasein und Wirken in genauer und fester Weise bestimmt wird. So besteht zum Beispiel Gott, obgleich notwendig, doch frei, weil er nur aus der Notwendigkeit seiner Natur allein besteht. Ebenso erkennt Gott sich selbst und alles andere frei, weil es aus der Notwendigkeit seiner Natur allein folgt, dass er alles erkennt. Sie sehen also, dass ich die Freiheit nicht in ein freies Beschließen, sondern in eine freie Notwendigkeit setze.2
1 Dass aber Jedermann ...
[aus: »Die Principien der Psychologie« von Herbert Spencer. Autorisierte deutsche Ausgabe. Nach der dritten englischen Auflage übersetzt von Dr.B.Vetter, a.o. Prof.am k.Polytechnikum in Dresden. I. Band mit fünfzehn Holzschnitten. Stuttgart. E.Schweizerbart`sche Verlagsbuchhandlung (E.Koch). 1882. Theil IV. Kapitel IX »Der Wille«, §219 auf Seite Buch 522 / PDF 543 ]
2 Ich nenne nämlich die Sache frei, ...
[aus: »Die Briefe mehrerer Gelehrten an Benedict von Spinoza und dessen Antworten, soweit beide zum besseren Verständnis seiner Schriften dienen.«, Uebersetzt und erläutert von J.H.v.Kirchmann. Berlin, 1871. Verlag von L.Heimann. Wilhelm-Strasse No 84. Brief 62 »Ueber Freiheit und Nothwendigkeit« vom Oktober oder November 1674 auf Buch-Seite 204 / PDF-Seite 117 Absatz 1]
ANMERKUNGEN ZU ABSATZ 2
Herbert Spencer im Original lautet: »... But that every one is at liberty to desire or not to desire, which is the real proposition involved in the dogma of free-will, is negatived as much by the internal perception of ervery one as by the contents of preceding chapters. ...«1
1 But that every one ...
[aus: »The Principles of Psychology« by Herbert Spencer, Author of »Social statics or the conditional essential to human happiness specified and the first of them developed«, London; Longmann, Brown, Green, and Longmans. 1855, Part IV. - Special Synthesis, Kapitel IX »The Will«, §207 auf Seite 617]
Spinoza im Original lautet: »... Ego eam rem liberam esse dico, quae ex sola suae naturae necessitate existit, & agit; Coactam autem, quae ab alio determinatur, ad existendum , & operandum certa, ac determinata ratione. Ex. gr. Deus, tametsi necessario, libere tamen existit, quia ex sola suae naturae necessitate existit. Sic etiam Deus se, & absolute omnia libere intelligit, quia ex sola ipsius naturae necessitate sequitur, ut omnia intelligat. Vides igitur me libertatem non in libero decreto; sed in libera necessitate ponere.2
2 Ego eam rem liberam esse dico, ...
[aus: Spinozas »OPERA POSTHUMA - Quorum series post Praefationem exhibetur.« 1677. Epistola LXVII »Viro Doctissimo, atque Expertissimo, B.d.S. Responsio ad precedentem.« auf Buch-Seite 584 / PDF-Seite 627 Absatz 2f ]
Die Verwendung des Freiheitsbegriffs von Spinoza in der vorliegenden Form durch Rudolf Steiner hat in der philosophischen Fachwelt eine rege Diskussion ausgelöst. Wer sich näher dafür interessiert wird auf den Beitrag von Hartmut Traub3 sowie auf seine Wiederlegung durch Merijn Fagard4 verwiesen. Beide können nachfolgend als PDF heruntergeldaen werden.
3 Hartmut Traub: Rudolf Steiner und Baruch de Spinoza
[Teil I, Hartmut Traubs Kritik an Steiners Spinoza-Interpretation]
4 Merijn Fagard: Rudolf Steiner und Baruch de Spinoza
[Ein Diskussionsbeitrag. Erschienen am 23.10.2012; waldorfblog.wordpress.com]
KURZFASSUNG DES ABSATZES 3
In der Fortführung des Zitates von Spinoza wird der Gedankenansatz vertieft, dass der Mensch nicht frei im Handeln sein kann.
Der ganze Absatz 3 folgt auf der nächsten Seite.
ABSATZ 3 [Keine Änderung zum Ursprungstext von 1894] FORTFÜHRUNG DES ABSATZES 2 MIT DEM ZITAT VON SPINOZA | |
| Doch wir wollen zu den erschaffenen Dingen herabsteigen, welche sämtlich von äußern Ursachen bestimmt werden, in fester und genauer Weise zu bestehen und zu wirken. Um dies deutlicher einzusehen, wollen wir uns eine ganz einfache Sache vorstellen. So erhält zum Beispiel ein Stein von einer äußeren, ihn stoßenden Ursache eine gewisse Menge von Bewegung, mit der er nachher, wenn der Stoß der äußern Ursache aufgehört hat, notwendig fortfährt, sich zu bewegen. Dieses Beharren des Steines in seiner Bewegung ist deshalb ein erzwungenes und kein notwendiges, weil es durch den Stoß einer äußern Ursache definiert werden muss. Was hier von dem Stein gilt, gilt von jeder andern einzelnen Sache, und mag sie noch so zusammengesetzt und zu vielem geeignet sein, nämlich, dass jede Sache notwendig von einer äußern Ursache bestimmt wird, in fester und genauer Weise zu bestehen und zu wirken.1 |
1 [aus: »Die Briefe mehrerer Gelehrten an Benedict von Spinoza und dessen Antworten, soweit beide zum besseren Verständnis seiner Schriften dienen.«, Uebersetzt und erläutert von J.H.v.Kirchmann. Berlin, 1871. Verlag von L.Heimann. Wilhelm-Strasse No 84. Brief 62 »Ueber Freiheit und Nothwendigkeit« vom Oktober oder November 1674 auf Buch-Seite 204 / PDF-Seite 117 Absatz 2] |
ANMERKUNGEN ZU ABSATZ 3
Spinoza im Original lautet: ... Sed ad res creatas descendamus, quae omnes a causis externis determinatus ad existentum, & operandum certa, ac determinata ratione. Quod ut clare intelligatur, rem simplicissiman concipiamus. Ex.gr. Lapis a causa externa, ipsum impellente, certam motus quantitatem accipit, qua postea, cessante causae externae impulsu, moveri necessatio perget. Haec igitur lapidis in motu permamentia coacta est, non quia necessaria>; sed quia impulsu causae externae definire debet; & quod hic lapide, id de quacunque re singulari, quantumvis illla composita, & ad plurima apta esse concipiatur, intelligendum est, quod scilicet unaquaeque res necessario a cuasa externa aliqua determinatur ad existendum, & operandum certa ac determninata ratione.1
1 Sed ad res creatas descendamus, ...
[aus: Spinozas »OPERA POSTHUMA - Quorum series post Praefationem exhibetur.« 1677. Epistola LXVII »Viro Doctissimo, atque Expertissimo, B.d.S. Responsio ad precedentem.« auf Buch-Seite 584 / PDF-Seite 627 Absatz 3]
Die Verwendung des Freiheitsbegriffs von Spinoza in der vorliegenden Form durch Rudolf Steiner hat in der philosophischen Fachwelt eine rege Diskussion ausgelöst. Wer sich näher dafür interessiert wird auf den Beitrag von Hartmut Traub2 sowie auf seine Wiederlegung durch Merijn Fagard3 verwiesen. Beide können nachfolgend als PDF heruntergeldaen werden.
2 Hartmut Traub: Rudolf Steiner und Baruch de Spinoza
[Teil I, Hartmut Traubs Kritik an Steiners Spinoza-Interpretation]
3 Merijn Fagard: Rudolf Steiner und Baruch de Spinoza
[Ein Diskussionsbeitrag. Erschienen am 23.10.2012; waldorfblog.wordpress.com]
KURZFASSUNG DES ABSATZES 4
RS lässt Spinoza in der Auffassung gipfeln, dass die Freiheit, die ein Stein in seinem Fluge zu glauben besäße, käme er denn zu Bewusstsein, diejenige des Menschen sei, der glaube frei handeln zu können.
Der ganze Absatz 4 folgt auf der nächsten Seite.
ABSATZ 4 [Keine Änderung zum Ursprungstext von 1894]
WEITERFÜHRUNG DES ABSATZES 3 MIT DEM ZITAT VON SPINOZA
Nehmen Sie nun, ich bitte, an, dass der Stein, während er sich bewegt, denkt und weiß, er bestrebe sich, soviel er kann, in dem Bewegen fortzufahren. Dieser Stein, der nur seines Strebens sich bewusst ist und keineswegs gleichgültig sich verhält, wird glauben, dass er ganz frei sei und dass er aus keinem andern Grunde in seiner Bewegung fort fahre , als weil er es wolle. Dies ist aber jene menschliche Freiheit, die alle zu besitzen behaupten und die nur darin besteht, dass die Menschen ihres Begehrens sich bewusst sind, aber die Ursachen, von denen sie bestimmt werden, nicht kennen. So glaubt das Kind, dass es die Milch frei begehre und der zornige Knabe, dass er frei die Rache verlange, und der Furchtsame die Flucht. Ferner glaubt der Betrunkene, dass er nach freiem Entschluss dies spreche, was er, wenn er nüchtern geworden, gern nicht gesprochen hätte; und da dieses Vorurteil allen Menschen angeboren ist, so kann man sich nicht leicht davon befreien. Denn wenn auch die Erfahrung genügend lehrt, dass die Menschen am wenigsten ihr Begehren mäßigen können und dass sie, von entgegengesetzten Leidenschaften bewegt, das Bessere einsehen und das Schlechtere tun, so halten sie sich doch für frei und zwar, weil sie manches weniger stark begehren und manches Begehren leicht durch die Erinnerung an anderes, dessen man sich oft entsinnt, gehemmt werden kann.»1
1 Nehmen Sie nun, ich bitte, ...
[aus: »Die Briefe mehrerer Gelehrten an Benedict von Spinoza und dessen Antworten, soweit beide zum besseren Verständnis seiner Schriften dienen.«, Uebersetzt und erläutert von J.H.v.Kirchmann. Berlin, 1871. Verlag von L.Heimann. Wilhelm-Strasse No 84. Brief 62 »Ueber Freiheit und Nothwendigkeit« vom Oktober oder November 1674 auf Buch-Seite 204f / PDF-Seite 117f Absatz 3]
ANMERKUNGEN ZU ABSATZ 4
Spinoza im Original lautet: ... Porro, concipe jam , si placet, lapidem, dum moveri pergit, cogitare, & scire, se, quantum potest, conari, ut moveri pergat. Hic sane lapis, quandoquidem sui tantumodo conatus est conscius, & minime indifferens, se leíberrimum esse, & nulla alia de causa in motu perseverare credet, quam quia vult. Atque haec postea sobrius tacuisse vellet. Sic delirans, garrulus, & hujus farinae plurimi se ex libero mentis decreto agere, non autem impetu ferri credunt. Et quia hoc praejudicium omnibus hominibus innatum est, non ita facile eodem lerantur. Nam quamvis experientia satis superque doceat, homines nihil minus posse, quam appetitus moderari suos, und quod saepe, dum contrariis affectibus conflictantur, meliora videant, & deteriora sequantur, se tamen liberos esse credunt, idque propterea, quod res quasdam leviter appetant, & quarum appetitus facile potest contrahi memoria alterius rei, cujus frequenter recordamur.1
1 Sed ad res creatas descendamus, ...
[aus: Spinozas »OPERA POSTHUMA - Quorum series post Praefationem exhibetur.« 1677. Epistola LXVII »Viro Doctissimo, atque Expertissimo, B.d.S. Responsio ad precedentem.« auf Buch-Seite 584f / PDF-Seite 627f Absatz 4]
Die Verwendung des Freiheitsbegriffs von Spinoza in der vorliegenden Form durch Rudolf Steiner hat in der philosophischen Fachwelt eine rege Diskussion ausgelöst. Wer sich näher dafür interessiert wird auf den Beitrag von Hartmut Traub2 sowie auf seine Wiederlegung durch Merijn Fagard3 verwiesen. Beide können nachfolgend als PDF heruntergeldaen werden.
2 Hartmut Traub: Rudolf Steiner und Baruch de Spinoza
[Teil I, Hartmut Traubs Kritik an Steiners Spinoza-Interpretation]
3 Merijn Fagard: Rudolf Steiner und Baruch de Spinoza
[Ein Diskussionsbeitrag. Erschienen am 23.10.2012; waldorfblog.wordpress.com]
KURZFASSUNG DES ABSATZES 5
Der Irrtum, derer die die Auffassung vertreten, dass der Mensch keineswegs ein frei handelnder sein könne, ist darin zu sehen, dass der Mensch nicht nur ein Bewusstsein von seiner Handlung hat, sondern es auch von den Ursachen haben kann, von denen er gleitet wird. Und genau diese Möglichkeit gilt es in die Betrachtung miteinzubeziehen.
Der ganze Absatz 5 folgt auf der nächsten Seite.
ABSATZ 5 [Keine Änderung zum Ursprungstext von 1894]
Weil hier eine klar und bestimmt ausgesprochene Ansicht vorliegt, wird es auch leicht, den Grundirrtum, der darin steckt, aufzudecken. So notwendig, wie der Stein auf einen Anstoß hin eine bestimmte Bewegung ausführt, ebenso notwendig soll der Mensch eine Handlung ausführen, wenn er durch irgendeinen Grund dazu getrieben wird. Nur weil der Mensch ein Bewusstsein von seiner Handlung hat, halte er sich für den freien Veranlasser derselben. Er übersehe dabei aber, dass eine Ursache ihn treibt, der er unbedingt folgen muss. Der Irrtum in diesem Gedankengange ist bald gefunden. Spinoza und alle, die denken wie er, übersehen, dass der Mensch nicht nur ein Bewusstsein von seiner Handlung hat, sondern es auch von den Ursachen haben kann, von denen er geleitet wird. Niemand wird es bestreiten, dass das Kind unfrei ist, wenn es die Milch begehrt, dass der Betrunkene es ist, wenn er Dinge spricht, die er später bereut. Beide wissen nichts von den Ursachen, die in den Tiefen ihres Organismus tätig sind, und unter deren unwiderstehlichem Zwange sie stehen. Aber ist es berechtigt, Handlungen dieser Art in einen Topf zu werfen mit solchen, bei denen sich der Mensch nicht nur seines Handelns bewusst ist, sondern auch der Gründe, die ihn veranlassen? Sind die Handlungen der Menschen denn von einerlei Art? Darf die Tat des Kriegers auf dem Schlachtfelde, die des wissenschaftlichen Forschers im Laboratorium, des Staatsmannes in verwickelten diplomatischen Angelegenheiten wissenschaftlich auf gleiche Stufe gestellt werden mit der des Kindes, wenn es nach Milch begehrt? Wohl ist es wahr, dass man die Lösung einer Aufgabe da am besten versucht, wo die Sache am einfachsten ist. Aber oft schon hat der Mangel an Unterscheidungsvermögen endlose Verwirrung gebracht. Und ein tiefgreifender Unterschied ist es doch, ob ich weiß, warum ich etwas tue, oder ob das nicht der Fall ist. Zunächst scheint das eine ganz selbstverständliche Wahrheit zu sein. Und doch wird von den Gegnern der Freiheit nie danach gefragt, ob denn ein Beweggrund meines Handelns, den ich erkenne und durchschaue, für mich in gleichem Sinne einen Zwang bedeutet, wie der organische Prozess, der das Kind veranlasst, nach Milch zu schreien.
ANMERKUNG ZU ABSATZ 5
RS wiederlegt in Absatz 5 die zuvor ausgebreiteten Gedanken von Spencer und Spinoza, dass dem Menschen ein freies Handeln nicht möglich sei, denn es müsse geklärt werden, ob eine Handlung deren Bewegrund der Mensch erkenne und durchschaue ebenso ein Zwang sein könne, wie der organische Prozess, der das Kind veranlasst nach Milch zu schreien.
KURZFASSUNG DES ABSATZES 6
Mit Eduard von Hartmann führt RS nochmals einen Vertreter der Auffassung an, dass der Mensch in seinem Handeln nichts weniger als frei sein könne, da er doch immer nach der eigenen charaterologischen Veranlagung handeln müsse.
Der ganze Absatz 6 folgt auf der nächsten Seite.
ABSATZ 6 [Keine Änderung zum Ursprungstext von 1894]
Eduard von Hartmann behauptet1 in seiner »Phänomenologie des sittlichen Bewusstseins« (S. 451), das menschliche Wollen hänge von zwei Hauptfaktoren ab: von den Beweggründen und von dem Charakter. Betrachtet man die Menschen alle als gleich oder doch ihre Verschiedenheiten als unerheblich, so erscheint ihr Wollen als von außen bestimmt, nämlich durch die Umstände, die an sie herantreten. Erwägt man aber, dass verschiedene Menschen eine Vorstellung erst dann zum Beweggrund ihres Handelns machen, wenn ihr Charakter ein solcher ist, der urch die entsprechende Vorstellung zu einer Begehrung veranlasst wird, so erscheint der Mensch von innen bestimmt und nicht von außen. Der Mensch glaubt nun, weil er, gemäß seinem Charakter, eine ihm von außen aufgedrängte Vorstellung erst zum Beweggrund machen muss: er sei frei, das heißt unabhängig von äußeren Beweggründen. Die Wahrheit aber ist, nach Eduard von Hartmann, dass: »Wenn aber auch wir selbst die Vorstellungen erst zu Motiven erheben, so tun wir dies doch nicht willkürlich, sondern nach der Notwendigkeit unserer charakterologischen Veranlagung, also nichts weniger als frei.«2 Auch hier bleibt der Unterschied ohne alle Berücksichtigung, der besteht zwischen Beweggründen, die ich erst auf mich wirken lasse, nachdem ich sie mit meinem Bewusstsein durchdrungen habe, und solchen, denen ich folge, ohne dass ich ein klares Wissen von ihnen besitze.
1 Eduart von Hartmann: Phänomenologie des sittlichen Bewusstseins
[siehe den Originalwortlaut Hartmanns in der nebenstehenden Anmerkung]
2Wenn aber auch wir selbst die Vorstellungen ... [Eduart von Hartmann: Phänomenologie des sittlichen Bewusstseins, Prolegomena zu jeder küfntigen Ethik, Berlin 1879, Seite 452 Absatz 1
ANMERKUNG ZU ABSATZ 6
zu 1 Eduard von Hartmanns Behauptung im Originalwortlaut: »Das Wollen, das als That in die äussere Erscheinung tritt, its bekanntlich die Resultante aller gleichzeitig erregten Begehrungen; die Begerhungen entstehen dadurch, dass die im Charakter des Individuums gegebenen Triebe durch Motive erregt werden. Die Determination des Wollens setzt sich also aus zwei Hauptfaktoren zusammen, dem Charakter und den Motiven. Betrachtet man nun die Menschen die Menschen als gleich, oder doch ihre Verschiedenheit als unerheblich, und reflectirt nur auf den Einfluss der von aussen herantretenden Motive auf das Handeln und die Modification des Charakters, so erscheint der Mensch und sein Wollen von aussen determinirt, nämlich durch die Umstände, von denen die Beschaffenheit der an ihn herantretenden Motive abhängt. Erwägt man dagegen, dass ein Motiv an und für sich noch gar nicht Motiv, sondern bloss Vorstellung ist, und dass es zum Motiv erst dadurch erhoben wird, dass der Charakter ein so veranlagter ist, um durch die Vorstellung zu Begehrungen angeregt zu werden, so erhält der Charakter die überwiegende, wo nicht alleinstehende Bedeutung, d.h. der Mensch erscheint lediglich von innen und nicht von aussen determinirt. Im Gegensatz zu der ersten Auffassung stellt sich bei der letzteren der Mensch als frei dar, und wenn nur auf die negative Seite dieser Freiheit reflectirt wird, so kann der deterministische positive Inhalt leicht übersehen, und die Freiheit vom Zwang durch die Motive, die man sich selbts erst zu solchen gemacht hätte, mit einer Freiheit von jeder Determination durch Motive verwechselt werden.«
KURZFASSUNG DER ABSÄTZE 7-10
In den Absätzen 7 bis 9 verdeutlicht RS, dass bezüglich der Freiheitsfarge abztuklären sei, ob eine Handlung deren Motiv der Mensch erkennt, genauso zu beurteilen sei, wie wenn das Motiv im dunkeln bliebe.
Im Absatz 10 geht er nochmals einen Schritt zurück und auf die allgemeine Ansicht seiner Zeit bezüglich des Freiheitsaspektes ein.
Die Absätze 7 - 10 folgen auf der nächsten Seite.
ABSÄTZE 7-10 [Keine Änderung zum Ursprungstext von 1894]
7. Und dies führt unmittelbar auf den Standpunkt, von dem aus hier die Sache angesehen werden soll. Darf die Frage nach der Freiheit unseres Willens überhaupt einseitig für sich gestellt werden? Und wenn nicht: mit welcher andern muss sie notwendig verknüpft werden?
8. Ist ein Unterschied zwischen einem bewussten Beweggrund meines Handelns und einem unbewussten Antrieb, dann wird der erstere auch eine Handlung nach sich ziehen, die anders beurteilt werden muss als eine solche aus blindem Drange. Die Frage nach diesem Unterschied wird also die erste sein. Und was sie ergibt, davon wird es erst abhängen, wie wir uns zu der eigentlichen Freiheitsfrage zu stellen haben.
9. Was heißt es, ein Wissen von den Gründen seines Handelns haben? Man hat diese Frage zu wenig berücksichtigt, weil man leider immer in zwei Teile zerrissen hat, was ein untrennbares Ganzes ist: den Menschen. Den Handelnden und den Erkennenden unterschied man, und leer ausgegangen ist dabei nur der, auf den es vor allen andern Dingen ankommt: der aus Erkenntnis Handelnde.
10. Man sagt: frei sei der Mensch, wenn er nur unter der Herrschaft seiner Vernunft stehe und nicht unter der der animalischen Begierden. Oder auch: Freiheit bedeute, sein Leben und Handeln nach Zwecken und Entschlüssen bestimmen zu können.
PLATZ FÜR ANMERKUNGEN
KURZFASSUNG DES ABSATZES 11
Auch die Ausführungen von Hamerling bringen nicht mehr Licht in die Frage, er bleibt bei dem Gedanken stehen, dass es ganz richtig sei »..., dass der menschliche Wille insofern nicht „frei“ ist, als seine Richtung immer durch das stärkste der Motive bestimmt ist.«
Der ganze Absatz 11 folgt auf der nächsten Seite.
ABSATZ 11 [Keine Änderung zum Ursprungstext von 1894]
Mit Behauptungen solcher Art ist aber gar nichts gewonnen. Denn das ist ja eben die Frage, ob die Vernunft, ob Zwecke und Entschlüsse in gleicher Weise auf den Menschen einen Zwang ausüben wie animalische Begierden. Wenn ohne mein Zutun ein vernünftiger Entschluss in mir auftaucht, gerade mit derselben Notwendigkeit wie Hunger und Durst, dann kann ich ihm nur notgedrungen folgen, und meine Freiheit ist eine Illusion. Eine andere Redewendung lautet: Freisein heißt nicht wollen können, was man will, sondern tun können, was man will. Diesen Gedanken hat der Dichterphilosoph Robert Hamerling in seiner »Atomistik des Willens« in scharfumrissenen Worten gekennzeichnet: »Der Mensch kann allerdings tun, was er will aber er kann nicht wollen, was er will, weil sein Wille durch Motive bestimmt ist! Er kann nicht wollen, was er will? Sehe man sich diese Worte doch einmal näher an. Ist ein vernünftiger Sinn darin? Freiheit des Willens müsste also darin bestehen, dass man ohne Grund, ohne Motiv etwas wollen könnte? Aber was heißt denn Wollen anders, als einen Grund haben, dies lieber zu tun oder anzustreben als jenes? Ohne Grund, ohne Motiv etwas wollen, hieße etwas wollen, ohne es zu wollen. Mit dem Begriffe des Wollens ist der des Motivs unzertrennlich verknüpft. Ohne ein bestimmendes Motiv ist der Wille ein leeres Vermögen: erst durch das Motiv wird er tätig und reell. Es ist also ganz richtig, dass der menschliche Wille insofern nicht „frei“ ist, als seine Richtung immer durch das stärkste der Motive bestimmt ist. Aber es muss andererseits zugegeben werden, dass es absurd ist, dieser „Unfreiheit“ gegenüber von einer denkbaren „Freiheit“ des Willens zu reden, welche dahin ginge, wollen zu können, was man nicht will.«H]1 (Atomistik des Willens, 2. Band S. 213 f.)
1 Der Mensch kann allerdings thun, ...
[Robert Hamerling: Die Atomistik des Willens, 2.Band, Viertes Buch, Kapitel Theorie des Willens, Abschnitt Sittlichkeit PDF-Seite 544]
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KURZFASSUNG DES ABSATZES 12
Wie verhält es sich mit den Motiven, wenn sie erkannt und durchschaut werden? ... Wenn mir wegen meines Charakters und wegen der in meiner Umgebung herrschenden Umstände ein Motiv aufgedrängt wird, das sich meinem Denken gegenüber als unvernünftig erweist, dann müsste ich sogar froh sein, wenn ich nicht könnte, was ich will.
Der ganze Absatz 12 folgt auf der nächsten Seite.
ABSATZ 12 [Keine Änderung zum Ursprungstext von 1894]
Auch hier wird nur von Motiven im allgemeinen gesprochen, ohne auf den Unterschied zwischen unbewussten und bewussten Rücksicht zu nehmen. Wenn ein Motiv auf mich wirkt und ich gezwungen bin, ihm zu folgen, weil es sich als das »stärkste« unter seinesgleichen erweist, dann hört der Gedanke an Freiheit auf, einen Sinn zu haben. Wie soll es für mich eine Bedeutung haben, ob ich etwas tun kann oder nicht, wenn ich von dem Motive gezwungen werde, es zu tun? Nicht darauf kommt es zunächst an: ob ich dann, wenn das Motiv auf mich gewirkt hat, etwas tun kann oder nicht, sondern ob es nur solche Motive gibt, die mit zwingender Notwendigkeit wirken. Wenn ich etwas wollen muss, dann ist es mir unter Umständen höchst gleichgültig, ob ich es auch tun kann. Wenn mir wegen meines Charakters und wegen der in meiner Umgebung herrschenden Umstände ein Motiv aufgedrängt wird, das sich meinem Denken gegenüber als unvernünftig erweist, dann müsste ich sogar froh sein, wenn ich nicht könnte, was ich will.
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ABSATZ 13
[Keine Änderung zum Ursprungstext von 1894]
Nicht darauf kommt es an, ob ich einen gefassten Entschluss zur Ausführung bringen kann, sondern wie der Entschluss in mir entsteht.
Von Absatz 13 gibts es keine Kurzfassung. Kürzer geht nicht!
Dieser Absatzt ist im Übrigen der Wendepunkt in Kapitel ein, der zum DENKEN als Dreh- und Anfelpunkt in der Freiheitsfrage des menschlichen Denkens und Handelns hinführt!
KURZFASSUNG DES ABSATZES 14
Das Denken unterscheidet den Menschen von allen anderen Lebewesen. Damit wird das Denken als solches zur Klärung der Freiheitsfrage in den Mittelpunkt gestellt.
Der ganze Absatz 14 folgt auf der nächsten Seite.
ABSATZ 14
[Keine Änderung zum Ursprungstext von 1894]
Was den Menschen von allen andern organischen Wesen unterscheidet, ruht auf seinem vernünftigen Denken. Tätig zu sein, hat er mit anderen Organismen gemein. Nichts ist damit gewonnen, wenn man zur Aufhellung des Freiheitsbegriffes für das Handeln des Menschen nach Analogien im Tierreiche sucht. Die moderne Naturwissenschaft liebt solche Analogien. Und wenn es ihr gelungen ist, bei den Tieren etwas dem menschlichen Verhalten Ähnliches gefunden zu haben, glaubt sie, die wichtigste Frage der Wissenschaft vom Menschen berührt zu haben. Zu welchen Missverständnissen diese Meinung führt, zeigt sich zum Beispiel in dem Buche: »Die Illusion der Willensfreiheit« von P. Rée, 1885, der (S. 5) über die Freiheit folgendes sagt: »Dass es uns so scheint, als ob die Bewegung des Steines notwendig, des Esels Wollen nicht notwendig wäre, ist leicht erklärlich.1
1 Dass es uns so scheint, als ...
[Dr.Paul Rée: Die Illusion der Willensfreiheit. Ihre Ursachen und ihre Folgen. Berlin, 1885, Carl Duncker`s Verlag]
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KURZFASSUNG DES ABSATZES 15
Am Beispiel von Esel und Stein verdeutlicht RS nochmals, das es Handlungen des Menschen gibt, die auf der Grundlage eines bewusst gewordenen Motives basieren.
Der ganze Absatz 15 folgt auf der nächsten Seite.
ABSATZ 15 [Keine Änderu
ng zum Ursprungstext von 1894]
Die Ursachen, welche den Stein bewegen, sind ja draußen und sichtbar. Die Ursachen aber, vermöge deren der Esel will, sind drinnen und unsichtbar: zwischen uns und der Stätte ihrer Wirksamkeit befindet sich die Hirnschale des Esels. Man sieht die kausale Bedingtheit nicht, und meint daher, sie sei nicht vorhanden. Das Wollen, erklärt man, sei zwar die Ursache der Umdrehung (des Esels), selbst aber sei es unbedingt; es sei ein absoluter Anfang. Also auch hier wieder wird über Handlungen des Menschen, bei denen er ein Bewusstsein von den Gründen seines Handelns hat, einfach hinweggegangen, denn Rée erklärt: »Zwischen uns und der Stätte ihrer Wirksamkeit befindet sich die Hirnschale des Esels.«1 Dass es, zwar nicht Handlungen des Esels, wohl aber solche der Menschen gibt, bei denen zwischen uns und der Handlung das bewusst gewordene Motiv liegt, davon hat, schon nach diesen Worten zu schließen, Rée keine Ahnung. Er beweist das einige Seiten später auch noch durch die Worte: »Wir nehmen die Ursachen nicht wahr, durch welche unser Wollen bedingt wird, daher meinen wir, es sei überhaupt nicht ursächlich bedingt.«2
1 Dass es uns so scheint, als ...
[Dr.Paul Rée: Die Illusion der Willensfreiheit. Ihre Ursachen und ihre Folgen. Berlin, 1885, Carl Duncker`s Verlag, Seite 5]
1 Wir nehmen die Ursachen nicht wahr, ...
[Dr.Paul Rée: Die Illusion der Willensfreiheit. Ihre Ursachen und ihre Folgen. Berlin, 1885, Carl Duncker`s Verlag, Seite 17, Absatz 3]
ANMERKUNG:
Ohne Denken gibt es keinb Bewusstsein über ein Handlungsmotiv!
KURZFASSUNG DER ABSÄTZE 16-18
Hegels Aussage, »Das Denken macht die Seele, womit auch das Tier begabt ist, erst zum Geiste«, liefert den Ankerpunkt, von dem aus sich die Farge nach der Freiheit nachfolgend ernsthaft betrachten lässt.
Die Absätze 16-18 folgen auf der nächsten Seite.
ABSÄTZE 16-18
[Keine Änderung zum Ursprungstext von 1894]
16. Doch genug der Beispiele, welche beweisen, dass viele gegen die Freiheit kämpfen, ohne zu wissen, was Freiheit überhaupt ist.
17. Dass eine Handlung nicht frei sein kann, von der der Täter nicht weiß, warum er sie vollbringt, ist ganz selbstverständlich. Wie verhält es sich aber mit einer solchen, von deren Gründen gewusst wird? Das führt uns auf die Frage: welches ist der Ursprung und die Bedeutung des Denkens? Denn ohne die Erkenntnis der denkenden Betätigung der Seele ist ein Begriff des Wissens von etwas, also auch von einer Handlung nicht möglich. Wenn wir erkennen, was Denken im allgemeinen bedeutet, dann wird es auch leicht sein, klar darüber zu werden, was für eine Rolle das Denken beim menschlichen Handeln spielt. »Das Denken macht die Seele, womit auch das Tier begabt ist, erst zum Geiste«1, sagt Hegel mit Recht, und deshalb wird das Denken auch dem menschlichen Handeln sein eigentümliches Gepräge geben.
18. Wir mögen die Sache anfassen wie wir wollen: immer klarer muss es werden, dass die Frage nach dem Wesen des menschlichen Handelns die andere voraussetzt nach dem Ursprunge des Denkens. Ich wende mich daher zunächst dieser Frage zu.
1 Das Denken macht die Seele, ...
[Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, Berlin, 1870, Verlag von L.Heimann, in der Vorrede zur zweiten Ausgabe Seite 14, (im Dreissigsten Band der Philosophischen Bibliothek oder Sammlung der Hauptwerke der Philosophie alter und neuer Zeit von J.H.v.Kirchmann) ]
Schlussbemerkungen zu Kapitel 01. Das bewusste menschliche Handeln Erkenne ICH meine wahren Motive im Handeln, vermag ICH dann in Freiheit zu wandeln? Fühlen, Spüren, Empfinden keines kann Erkenntnisse mir schenken, dies obliegt einzig und alleine dem reinen Denken. Denken ist aber die Gabe, an der sich eben entscheidet des Schicksalsfrage. | |
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